Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

„Wir haben deutlich mehr Fragen als Antworten“

20.10.2018 - Interview

Außenminister Maas im Interview mit den ARD Tagesthemen zum gewaltsamen Tod des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi:

Der saudische Kronprinz dementierte wochenlang Khashoggis Tod. Jetzt sagt er, der Journalist sei tatsächlich gestorben im Konsulat, aber, nun ja, aus Versehen bei einem Faustkampf mit fast 60. Wie glaubwürdig klingt das in Ihren Ohren?

Zunächst einmal haben sich alle Befürchtungen bewahrheitet, nämlich das Herr Khashoggi ums Leben gekommen ist. Und das auf eine außerordentlich schockierende Art und Weise. Es gibt eine Vielzahl von Ungereimtheiten: Erstmal ist erklärt worden, dass der saudische Journalist das Konsulat wieder verlassen hat, jetzt wird erklärt, dass er doch ums Leben gekommen sind. Also da sind mehr Fragen offen, als beantwortet sind. Und es liegt an der saudischen Seite bei den Untersuchungen, die jetzt weitergeführt werden, auch für Aufklärung zu sorgen und wir schauen da genau hin. Bisher haben wir deutlich mehr Fragen als Antworten.

Reicht es denn, wenn die saudische Seite aufklärt oder setzen Sie sich für eine Untersuchung unter Aufsicht der Vereinten Nationen ein?

Alles, was hilft diesen Fall aufzuklären, findet unsere Unterstützung. Wichtig ist aber vor allen Dingen zunächst einmal, dass die unmittelbar Beteiligten, das heißt die Verantwortlichen in Saudi-Arabien, aber auch dort wo das stattgefunden hat in der Türkei ihre Untersuchung fortsetzen. Wenn es einen Beitrag dazu leistet, dass dritte Unbeteiligte von welcher Seite auch immer, sich dieser Untersuchung anschließen, um die Objektivität und auch die Glaubwürdigkeit der Untersuchungsergebnisse zu stärken, dann mag das eine Möglichkeit sein. Jetzt ist es erstmal wichtig, dass die unmittelbar Beteiligten alle Fakten auf den Tisch legen und dafür sorgen, dass die Welt erfährt, was in diesem Konsulat geschehen ist.

Es ist erst einen Monat her, Herr Maas, da haben Sie sich bei Saudi-Arabien fast sowas wie entschuldigt, dafür, dass Ihr Vorgänger Sigmar Gabriel Riad „außenpolitisches Abenteurertum“ vorgeworfen hatte – da war der Prinz lange Zeit sehr verstimmt. Ärgert Sie heute Ihr diplomatischer Bückling?

Also, wir haben eingeräumt, dass es Missverständnisse gegeben hat, im Übrigen auf beiden Seiten. Wir hatten in den letzten Monaten überhaupt keine offiziellen diplomatischen Verbindungen nach Saudi-Arabien. Es gab keinen saudischen Botschafter in Berlin und letztlich ist auch unser neuer Botschafter in Riad nicht akkreditiert worden. Das ist kein Zustand. In der Diplomatie kommt es darauf an, miteinander zu reden, auch mit denjenigen, mit denen man unterschiedlicher Auffassung ist. Das würde ich jederzeit nochmal so machen. Dass es jetzt bei dem Fall um den es jetzt geht notwendig ist, offen zu thematisieren, dass die Täter aber auch die Auftragsgeber dieser Täter zur Verantwortung gezogen werden, dafür nutzt man solche diplomatischen Kanäle und deshalb ist es gut, dass wir sie auch wieder eingerichtet haben.

Der Kronprinz hat für nächste Woche die internationale Finanzwelt zu einer großen Investorenkonferenz eingeladen zum Davos in der Wüste, wie es heißt. Die Chefs großer US-Firmen haben jetzt bereits abgesagt, nicht so der von Siemens. Sollte Joe Kaeser nicht auch absagen?

Das ist eine Entscheidung, die muss Herr Kaeser selber treffen. Ich halte nichts davon, dass ich als Außenminister Herrn Kaeser eine Empfehlung gebe, was er macht. Er wird sich das sicherlich auch im Lichte der Ereignisse und auch der Statements, die es heute gegeben hat, noch einmal anschauen. Letztlich ist das seine Entscheidung, wie er damit umgeht. Es ist richtig festzustellen, dass eine Vielzahl von Politikern aber auch von Unternehmern ihre Teilnahme dort abgesagt haben. Das ist ein Signal auf die Ereignisse im Konsulat in Istanbul, auf die ungeklärten Umstände dieser Ermordung und ich glaube, das ist kein falsches Zeichen.

Ist das auch Ihre Haltung?

Ich würde zurzeit ganz sicherlich nicht an einer Veranstaltung in Riad teilnehmen.

Dürfen wir das auch als einen Rat an Herrn Kaeser verstehen?

Ja, das muss dieses Unternehmen selber entscheiden. Also, ich gebe keinem Unternehmen Ratschläge, wo sie hingehen sollen oder nicht. Dass wir zurzeit nicht an Veranstaltungen in Saudi-Arabien teilnehmen, das habe ich schon vor einiger Zeit gesagt. Wir wollen, dass die Dinge da aufgeklärt werden und wir haben großes Verständnis für die, die ihre Teilnahme bei dieser Veranstaltung abgesagt haben.

Herr Maas, klare Frage, die mit ja oder mit nein zu beantworten ist: sollte Deutschland Waffenlieferungen an Saudi-Arabien stoppen?

Es sind in der Vergangenheit im Verhältnis zu den Anträgen, die es gegeben hat, nur noch wenige Waffen nach Saudi-Arabien geliefert worden. Ich glaube, solange diese Untersuchungen andauern, solange wir nicht wissen, was da geschehen ist, gibt es keine Grundlage auf der positive Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen sind.

Herr Maas, der US Präsident Donald Trump sagt, er glaube den Saudis, dass Khashoggi bei einem Faustkampf umgekommen sei. Heißt das, Saudi-Arabien kommt damit durch, weil ihnen der wichtigste Partner der westlichen Welt, die USA, eine Art Blankoscheck erteilen?

Ich glaube, selbst dieser Blankoscheck würde nicht genügen. Wir befinden uns gerade jetzt in Abstimmung mit unseren englischen und französischen Freunden, wie wir mit den Entwicklungen dort umgehen, was wir dazu sagen, wie wir uns verhalten werden, welche Reaktion es geben wird. Ich gehe auch davon aus, dass wir uns im Kreis der G7 Staaten mit diesem Thema auseinander setzen, auch in diesem Kreis haben wir uns in der letzten Woche dazu gemeinsam positioniert. Da werden die Amerikaner Farbe bekennen müssen. Und sicherlich werden wir innerhalb der Europäischen Union auch über dieses Thema zu reden haben. Denn wichtig ist, dass wenn es eine Antwort auf das gibt, was dort geschehen ist, sobald die Fakten alle auf dem Tisch liegen und man es beurteilen kann, dass das eine möglichst geschlossene Antwort der internationalen Staatengemeinschaft ist.


(Interview: Caren Miosga)

Schlagworte

nach oben